CHARTER ist ein Forschungsprojekt, das im Rahmen des Programms „Horizon 2020“ der Europäischen Union finanziert wird. CHARTER wurde konzipiert mit dem Ziel, die Prozesse, die zu rapiden Klima- und Landnutzungsänderungen in der Arktis führen, genauer nachzuzeichnen.
Die Abkürzung ist dem Projekttitel entlehnt: Drivers and Feedbacks of CHanges in ARctic TERrestrial Biodiversity, auf Deutsch: Treiber und Rückwirkungen der Veränderungen in der arktischen terrestrischen Biodiversität. Das Projekt begann im August 2020, es hat eine Laufzeit von vier Jahren. An CHARTER sind 21 Forschungseinrichtungen in neun Ländern beteiligt (die vollständige Liste finden Sie auf der Seite Partners). CHARTER wird vom Arctic Centre an der Universität Lappland koordiniert, der Projektleiter ist Prof. Dr. Bruce Forbes. Adressen finden Sie auf der Seite Contacts.
Der regionale Fokus von CHARTER liegt hauptsächlich auf Nordeuropa und Nordwestrussland. Klima- und Landnutzungsänderungen wirken sich auf die arktische Artenvielfalt sowie auf die Schneedecke, das Meereis und den Permafrost aus. Diese Auswirkungen wiederum führen zu weitreichenden anderen Konsequenzen und haben auch Rückwirkungen auf das arktische Regionalklima.
Diese Veränderungen sind nicht allein von wissenschaftlicher Bedeutung: Sie betreffen all diejenigen, die das Land und die Ressourcen nutzen, beispielsweise die Haushalte, die von der Rentierhaltung leben. Dies zeigte sich besonders deutlich im Winter 2013/14: anhaltender Regen auf die Schneedecke bzw. den gefrorenen Boden führte zum plötzlichen Vereisen der Rentierweiden in der produktivsten Rentierzuchtregion der Welt, nämlich der Region Jamal in Westsibirien. Dabei haben Schätzungen zufolge die dortigen Rentierzüchter mindestens 61.000 Rentiere verloren (möglicherweise sogar ein Fünftel aller Rentiere in dieser Region). Einige Familien haben alle ihre Rentiere verloren und beschäftigen sich mit Fischfang, um in der Tundra zu bleiben, während sie versuchen, eine neue Herde aufzubauen. Auch in Finnland führten schlechte Bedingungen auf den Winterweiden 2019/20 zum Tod von bis zu 15.000 Rentieren, was beträchtliche finanzielle Konsequenzen für die Hirten hatte und eine überaus hohe Arbeitsbelastung mit sich brachte.
Rentiere spielen eine zentrale Rolle für die Haushalte und die Kulturen, die von ihnen abhängen. Rentiere sind auch eine Schlüsselspezies in der Arktis; sie sind ein wichtiger Faktor in der Funktion der Ökosysteme. Rentierhaltung als Lebensgrundlage und Landnutzungsstrategie hat das Potenzial, die Temperaturen in der Permafrostregion und (durch die Beeinflussung der Vegetation) das regionale Klima zu beeinflussen.
CHARTER möchte gemeinsam mit den Bewohner*innen und Gemeinden im Hohen Norden Instrumente für eine möglichst angemessene Anpassung an den Klimawandel und an Veränderungen der Biodiversität entwickeln. Dabei werden über die Datenerhebung und Analyse hinaus Szenarien künftiger Entwicklungen formuliert. CHARTER richtet den Blick auf langfristige, mittelfristige und kurzfristige Dynamiken der Biodiversität, der Eis- und Schneeverhältnisse und anderer meteorologischer Daten. Die langfristige Perspektive umfasst die Veränderungen während des Holozäns (d.h. der letzten 11.000 Jahre). Der vergleichsweise kurze Zeithorizont der letzten 40 Jahre dient der detaillierten Betrachtung der genannten Faktoren und ihrer Folgen.
Das Team von CHARTER möchte gemeinsam mit lokalen Landnutzer*innen Wissen schaffen und mögliche Strategien für die Zukunft entwerfen. Ziel ist es, Instrumente der Klimamodellierung zu entwickeln, mit denen auch die lokalen Wirtschaftsformen und die damit verbundenen Veränderungen arktischer Landschaften besser berücksichtigt werden können. Klimaszenarien bis 2050 sollten verstärkt relevante Wirtschaftsformen der Arktis miteinbeziehen – dadurch lassen sich Anpassungsstrategien leichter und effizienter formulieren. Ziel ist, dass politische Entscheidungen in den Regionen der Arktis den Lebensalltag und die Existenzgrundlagen der Bewohner*innen der Arktis besser berücksichtigen. Unterstützt wird dadurch die stärkere Orientierung der Landnutzung auf die Linderung der Folgen des Klimawandels und auf nachhaltige Entwicklung.
CHARTER besteht aus sieben Paketen (work packages), die von Forscher*innen aus ganz Europa geleitet werden. Das Projekt wird von einer Berater*innengruppe unterstützt. Diese umfasst ausgewählte Expert*innen, Personen, die direkt mit der Rentierhaltung verbunden sind, Administrator*innen, relevante Ministerien und Fachleute für Wissenschaftskommunikation.
Weitere Informationen in dieser Sprache erhalten Sie von:
J. Otto Habeck: otto.habeck(at)uni-hamburg.de
Florian Stammler: florian.stammler(at)ulapland.fi